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Boulevard Theo / LIFT Lost / Found / Fun

Boulevard Theo / LIFT September 2005

Jetzt geht’s los. Da isser, der Fahrradweg. Oder soll es wohl mal werden. Links und rechts vorm größten Jugendhaus Stuttgarts. Guter Schock am Sonntagmittag. Da wollte ich auf der Höhe der Elektrotankstelle/Schaufenster Mitte rechts rüberziehen und ein paar Doppelkennzeichen versägen, auf einmal leuchten vor mir strahlend weiss die jungfräulichen Streifen auf, die nun messerscharf die rechte Spur der Theo abschneiden und mir blitzschnell suggerierten: So nicht mein Freund. Damn. Das gibt nämlich richtig dick Punkte in Flensburg. Nein, Quatsch, Führerschein weg ein Monat lang!

Einen glatzköpfigen Daimler-Coupé Fahrer, entschlossener Stierblick und ganz fresh „Call On Me“ aus der Anlage, hinderte dies aber nicht – er zog die Nummer eiskalt durch. Ich bin mal gespannt, wie viel Radfahrer, Fußgänger, Clubhopper auf Sportmehl und natürlich bis zur Ohnmacht abgefüllte Junggesellenabschiedsgruppen hier in Zukunft drauf gehen werden.

Wobei um Letztere wiederum wäre es auch nicht wirklich schlimm. Also für mich persönlich, auch wenn’s das natürlich schon immer gab, ist das eine der Nachtseuchen des Jahres. So eine willenlose Meute, aus irgendeinem Dorf hergefahren, die davor noch lustige T-Shirts mit Aufdrucken wie „Lebenslänglich“ gemalt hat, zur weiteren Identifizierung des Rudels meistens steile Hüte trägt und nun in den Bars und Clubs die Stimmung im A-Block des Neckarstadions nacheifern muss.

Zu einem soliden Junggesellenabschied gehört natürlich auch, dass man alles was zwei Titten (Stichwort: „schoehdrunga“) hat ordentlich blöd anlabert, weil man ist ja randvoll mit Samen.

Das weibliche Pendant zu der Testosteronholzfällergang ist übrigens auch nicht viel besser. Vielleicht bin ich da ein bisschen versnobt, aber wenn eine Tussi in einem Club mit ihrem Brautkleid, Krönchen auf dem Kopf und 10 gackernden „Brautjungfern“ antanzt, dann fühl ich mich dadurch einfach massiv gestört. Die wollen dann auch immer, das man „mitmacht“. Bei was? Stimmung? Ihre Süßigkeiten, die sie an jeden verteilen, kann ich mir um Mitternacht einfach nicht reindonnern. Und dann ist die Braut ganz schön sauer.

Aber das ist mir gerade egal, weil die Gute ist eh schon vergeben. Lebenslänglich.

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Boulevard Theo / LIFT Lost / Found / Fun

Boulevard Theo / LIFT November 2005

Gimme a punchline: Da würde sich der Theo glatt im Grab umdrehen, meine Nachbarin steht auf Oriental-House und Lil´ Kim ist eine geile Sau. Das war ein Einstieg auf dem Niveau von gängigem Deutsch-Rap, folglich würde ich aber mit dieser Line garantiert in den Top Ten landen. Obwohl, war schon fast ein bisschen zu Autoren-lastig.

Jetzt die Intellektuellenvariante: Ich hatte gerade beim Duschen eine Vision. Dezember 2005. Am Wochenende vor Weihnachten fällt 50cm Neuschnee. Nichts geht mehr. In Windeseile wird auf dem Amüsierghetto eine Flutlichtanlage installiert und vom Rotebühlplatz bis zur Friedrichstraße der erste Schlepplift der Welt auf einer waagrechten Ebene gebaut. Alle Bars holen schnell noch mal ihre Außentheke aus dem Keller und verzieren die mit soviel weihnachtlicher Lichtdekoration, dass in Neckarwestheim eine Schippe Plutonium extra ins Rohr geschoben werden muss. Zu guter Letzt werden die einzelnen Musikanlagen der Locations zusammengeschlossen und 10.000 Leute grölen lauthals „Wei M Sie Ey“.

Was? Das ist völlig far out, absolut unrealistisch und steht vor allem style-mässig in keiner Relation? Also bitte! Das passt ja wohl zur Strasse wie die abgewetzte rote Lederjacke mit dickem „Lions“-Aufdruck zu dem Schnurrbartträger aus der Muckibude. Mir ist im Club schon mal ans Hosenbein gepinkelt worden, das ist vielleicht far out, aber sogar das passiert heutzutage. „Bin ausgerutscht“ meinte er. Ich stand im 90 Grad Winkel zu ihm. Wo leben wir denn? Wären nicht seine Kumpels aus Raitelsberg, Hallschlag, Zuffenhausen oder aus irgendeinem anderen Klischeeviertel dabei gewesen, hätte ich mich zum ersten mal in meinem Leben geklopft. Oder doch nicht, denn das ist nicht ganz mein Lifestyle.

Lifestyle-Faschismus war übrigens das Wort des vergangenen Wochenendes. Die Freundin von meinem Mitbewohner meint, dass wir dauernd irgendwelchen Zwängen unterliegen, die unser Leben nur scheinbar schöner machen. Aber warum auch nicht, oder? Deswegen an dieser Stelle schnell noch die Lifestyle-Prognose für den kommenden Stuttgarter Winter: erst im Domina-Studio anstrullern lassen und danach wahlweise in Gummiboots oder Stiletto-Stiefel (Hose reinstopfen natürlich) auf dem Snowboard oder Skiern zur größten Apres-Ski-Party der Welt donnern. Hip?

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Lost / Found / Fun SubCulture Editorials

SubCulture Editorial Mai 2008

Nicht nur Kahn der Titan hat einen Philosophiekurs für Anfänger belegt, wie der aufmerksame Verfolger des bayrischen Ensembles rund um den altersmilden Grobian im Laufe der Saison bemerkt haben dürfte. Neulich bin in einem Club von einer betrunkenen Berufsbekanntschaft abgefangen worden. „Ich möchte dir eine Frage stellen: Um was geht es im Leben?“

Oh Shit. Zuerst bin ich an meinem Wodka erstickt, dann rückwärts die Treppen runter.

Sicherlich eine Frage, die man immer wieder stellen kann, abends in urigen Stadtteilkneipen mit viel dunklem Holz, nach dem dritten Bier, vorausgesetzt man trinkt Bier, ist 18, geht aufs Gymnasium, will die Klassendiva flachlegen oder hegt Zweifel am Sinn des Doppeleinkommens seiner Arzteltern, am Cannstatter Wasen sowieso, wo die Altersgenossen herumlungern, und rutscht so mir nichts dir nichts in seine erste melancholische wie qualvolle Selbstfindungskrise. Liebe Abiturenten, es wird alles nur schlimmer. Aber leichter macht man es sich, wenn man über so einen Käse erst gar nicht nachdenkt.

Neulich bei meinem Opa, 81, zack, weg, hab mir zwar auch kurz überlegt, du Armer, als junger Kerl Heimatvertriebener, in Deutschland als Maurer angefangen, Haus mit eigenen Händen gebaut, dann Maschine, dann Rente, dann schwer krank, aus die Maus, da bleibt von außen betrachtet unter dem Strich mehr Leid als Glück.

Auch wenn ich trotzdem stark vermute, dass Opi mit sich seinen Frieden gemacht hat – seine liebste Zeit im Jahr war der Herbst, da hat er seinen eigenen Wein gekeltert und mir mal alles darüber erklärt – hab ich seit langen Mal wieder kurz sinniert und reflektiert, aber schon wieder während der Zeremonie das Christentum einmal weniger verstanden. Die Erlösung, die letzte Reise, ab geht’s nach oben, juhu, endlich und so weiter, also dann doch lieber der dumpfe Alltag mit all seinen Problemchen.

Vorausgesetzt man wird aus dieser Dumpfheit nicht unsanft geweckt, wie ich an diesem Abend von diesem Mensch, just ein Tag nach der Beerdigung. Nur blöd, dass mir in solchen Situationen, die allein für mein geschundenes Gehör sehr schnell anstrengend werden können, die nötige Schlagfertigkeit fehlt und ich dann meist irgendeinen Krampf rausbröckel.

Im Nachhinein wären mehrere Antworten logisch gewesen und hätten den Hobbyphilosoph wahrscheinlich ruhig gestellt: A) die christliche Variante, dass man in den Himmel kommt, b) die Til Schweiger-Lösung, dass man einmal das Meer sieht, c) mein Ziel, ein gemeinsames Foto mit Jay-Z und Beyoncé auf ihrer Hochzeit und d) geh mir nich aufn Sack.

Aber was sag ich? „Dass man sein Ding macht.“

Wow. Das hätte sogar Thomas Doll (Bundesliga-Trainer, ebenfalls permanent auf Sinnsuche) mit dem seinem besten traurigen Hundeblick aus seinem großen Traurigen-Hundeblick-Repertoire eleganter gelöst.

Ich muss unbedingt an meinem Killerinstinkt arbeiten, der Abschluss muss besser sitzen, spontane, blitzgescheite Antworten, die starkes Selbstbewusstsein demonstrieren. Ging letzten Samstag schon wieder schief. Ein befreundeter Barmann überfordert mich folgendermaßen: „Wenn man Kappen trägt, bekommt man früher Haarausfall!“ Äh, ja, hm, aber trag nur am Wochenende eine. Mein Kopf fühlte sich in diesem Moment an, als wäre aus meinen Geheimratsecken eine riesige Glatze mutiert.

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