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Lost / Found / Fun SubCulture Editorials

SubCulture Editorial / März 2004

Herr Nachtleben

Hallihallo, wer sitzt im Klo, das Nachtleben mit dem Radio. Herr Nachtleben, was machen sie denn so spät nachts auf meiner Toilette?

„Ach wissen sie, bei meinem Alter hilft Granofink auch nicht mehr viel.“

Kein Problem, Herr Nachtleben, lassen sie es laufen. Wie geht es Ihnen sonst so? „Alles gut soweit. Aber man wird eben nicht jünger.“

Das ist richtig. Sie kommen bestimmt auch immer viel herum, oder?

„Klar, man guckt sich schon so einiges an am Wochenende. Passiert ja auch viel in der Stadt.“

Wie, sie sind nur in Stuttgart tätig?

„Na klar, das langt auch. Ausserdem hat jede Stadt ihren eigenen Herrn Nachtleben.“

Ach so. Siiiiiieeeee, Herr Nachtleben, wenn sie schon so gemütlich auf meiner Toilette sitzen, würde ich ihnen gerne mal eine Frage stellen, worüber wir tagsüber öfters mal diskutieren. War früher wirklich alles besser, als sie noch richtig im Saft standen?

„Na ja, früher hab ich halt schon ein paar Drogen mehr gefressen, das hat so einiges an Wahrnehmung verzerrt.“

Und sicherlich auch ab und zu mal den Unterkiefer.

„Ja gut, der ist mir schon lange abgefallen. Ich brauche eigentlich auch keinen.“

Stimmt, sie haben sicherlich eine übelst rattenscharfe Assistentin, die sie mit einem Röhrchen füttert.

„Nee, die Zeiten sind schon lange vorbei. Früher bin ich immer in der Limo mit zwei, drei Bräuten losgezogen und hab den ganzen Clubbesitzern jedes Wochenende erst mal gezeigt, wer in der Stadt das Sagen hat.“

Wie? Sie haben Schutzgeld erpresst? Und ich hab gedacht sie sind ein Guter!

„Bin ich auch! Hab immer gleich reinvestiert in neue Läden! Das ist ja meine Aufgabe. Es muss was gehen.“

Warum sagen dann alle es geht nix?

„Vielleicht ein Trugschluss? Früher musste ich um 5 Clubs kümmern, heute sind es locker mal Minimum 40, die ganzen Bars und Lounges und inklusive, das langt wahrscheinlich gar nicht. Ausserdem, gemotzt wird immer. Allen kann man es nie Recht machen.“

Ich sage auch immer: Man kann nicht alles haben im Leben.

„Das stimmt. Aber ordentlich pimpern würde ich schon mal wieder gern.“

Da fällt mir ein: Warum sind sie eigentlich männlich?

„Weiss ich nicht. Sie nennen mich Herr Nachtleben.“

Ach so, ich kann auch „Frau Nachtleben“ sagen?

„Aber sicher mein Junge.“

Was sollen dann die Frauengeschichten?

„Hallo, meine Aufgabe ist es, mir immer und ständig etwas einfallen zu lassen, dass Ihr wieder etwas zum Schreiben habt. Und ob ich dabei nun ein Mann, eine Frau oder eine Wursttheke bin ist doch egal.“

Bei Ihnen gibt es auch Wurst?

„Ja, aber erst morgen früh wieder.“

Alles klar. Könnt ich jetzt auch mal auf die Toilette?

P.S: To be continued. Irgendwann…

(Anmerkung 2015: Die Fortsetzung steht immer noch aus.)

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SubCulture Editorial / Oktober 2004

Mein Stammclub

Ich war mal recht lange Stammgast in einem Club in Stuttgart. Das ging vor über 9 Jahren los. 18 Jahre alt waren wir, sahen scheiße aus in unserem Mitneunziger Skaterstyle, aber die Türsteher/innen haben uns jeden Samstag herein gewunken. Wenn ich nur daran denke, wie wir rumgelaufen sind, dann hätte ich mich nicht mal „Zum Ochsen“ reingelassen. Und meine Friseur war eigentlich auch shit. Aber mit meinen Haaren hatte ich schon immer so meine Probleme. Vielleicht sind wir aber auch nur reingekommen, weil wir Jungs irgendwie alle so aussahen? Keine Ahnung.

Ich weiß auch z.B. gar nicht mehr, was damals so die Mädels anhatten. Gibt’s eigentlich ein charakteristisches Kleidungsstück für die 90er? Nee, oder? Da müsste man jetzt mal gucken, ob noch jemand ein Fotoalbum von der Zeit hat, weil digitale Kameras besaß gerade mal der amerikanische Geheimdienst, „online“ hatte für viele eine ganz andere Bedeutung und die Spezies Partyshooter ging zur derzeit zum größten Teil wohl noch in die Grundschule.

Aber im Prinzip waren uns die Frauen in unserem Stammclub auch egal. Okay klar, man hat schon mal den Kopf gedreht, wenn eine Schnitte vorbeilief, aber man hatte ja sowieso keine Chance. Weil wir waren wohl mit die Jüngsten in dem Club.

Das Tolle an dem Schuppen war eigentlich, dass dort diese noch recht neue House-Musik lief, damals hauptsächlich produziert von Afroamerikanern. Einmal war Derrick May da. Ich weiß, den kennt ihr jetzt alle nicht, aber der Typ war einfach ein Gott. Das war der einzige Abend, an dem ich in diesem Laden nicht getanzt habe. Ich bin mit offenem Mund wie angewurzelt hinter der DJ-Kanzel gestanden, weil Derrick in einer abartigen Geschwindigkeit die Platten gewechselt hat und zwischendurch akrobatisch die Scheiben auf seinem Finger zwirbeln ließ.

Und es war wirklich ein Wunder, dass ich an dem Abend nicht getanzt habe, weil ich hab eigentlich sonst immer in meinem Stammclub bis morgens nonstop durchgetanzt. Ich konnte nämlich verdammt gut tanzen, denn ich hab den Vibe gespürt. Nicht so wie z.B. diese Gogos heutzutage, die bei ihren Roboter-Moves auch noch so komisch ihre Gesichtsmuskeln verrenken und denken, sie sehen dabei extrem sexy aus. Selbstdarstellung war damals eh ein Fremdwort. Man hatte auch gar keinen Grund sich darzustellen, gab ja niemanden, der photographiert hat. Wir waren irgendwie nur wir selbst und tanzten auf die Musik, die wir am liebsten in einem Club hören mochten.

Heute stehe ich immer nur an der Bar rum und trink halt – neulich mal wieder ein bisschen zu viel in dem Club, der früher mein Stammclub war. Zwei Kumpels von mir haben auflegt, da bin ich dann vor denen hoch aufs DJ-Pult geklettert und hab so ein bissle gefeiert, meine Beine haben sich sogar bewegt. Musste mal sein, bin voll aus mir herausgegangen. Hat aber Gott sei Dank keiner groß gesehen. War mir auch echt peinlich am nächsten Tag.

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SubCulture Editorial Mai 2008

Nicht nur Kahn der Titan hat einen Philosophiekurs für Anfänger belegt, wie der aufmerksame Verfolger des bayrischen Ensembles rund um den altersmilden Grobian im Laufe der Saison bemerkt haben dürfte. Neulich bin in einem Club von einer betrunkenen Berufsbekanntschaft abgefangen worden. „Ich möchte dir eine Frage stellen: Um was geht es im Leben?“

Oh Shit. Zuerst bin ich an meinem Wodka erstickt, dann rückwärts die Treppen runter.

Sicherlich eine Frage, die man immer wieder stellen kann, abends in urigen Stadtteilkneipen mit viel dunklem Holz, nach dem dritten Bier, vorausgesetzt man trinkt Bier, ist 18, geht aufs Gymnasium, will die Klassendiva flachlegen oder hegt Zweifel am Sinn des Doppeleinkommens seiner Arzteltern, am Cannstatter Wasen sowieso, wo die Altersgenossen herumlungern, und rutscht so mir nichts dir nichts in seine erste melancholische wie qualvolle Selbstfindungskrise. Liebe Abiturenten, es wird alles nur schlimmer. Aber leichter macht man es sich, wenn man über so einen Käse erst gar nicht nachdenkt.

Neulich bei meinem Opa, 81, zack, weg, hab mir zwar auch kurz überlegt, du Armer, als junger Kerl Heimatvertriebener, in Deutschland als Maurer angefangen, Haus mit eigenen Händen gebaut, dann Maschine, dann Rente, dann schwer krank, aus die Maus, da bleibt von außen betrachtet unter dem Strich mehr Leid als Glück.

Auch wenn ich trotzdem stark vermute, dass Opi mit sich seinen Frieden gemacht hat – seine liebste Zeit im Jahr war der Herbst, da hat er seinen eigenen Wein gekeltert und mir mal alles darüber erklärt – hab ich seit langen Mal wieder kurz sinniert und reflektiert, aber schon wieder während der Zeremonie das Christentum einmal weniger verstanden. Die Erlösung, die letzte Reise, ab geht’s nach oben, juhu, endlich und so weiter, also dann doch lieber der dumpfe Alltag mit all seinen Problemchen.

Vorausgesetzt man wird aus dieser Dumpfheit nicht unsanft geweckt, wie ich an diesem Abend von diesem Mensch, just ein Tag nach der Beerdigung. Nur blöd, dass mir in solchen Situationen, die allein für mein geschundenes Gehör sehr schnell anstrengend werden können, die nötige Schlagfertigkeit fehlt und ich dann meist irgendeinen Krampf rausbröckel.

Im Nachhinein wären mehrere Antworten logisch gewesen und hätten den Hobbyphilosoph wahrscheinlich ruhig gestellt: A) die christliche Variante, dass man in den Himmel kommt, b) die Til Schweiger-Lösung, dass man einmal das Meer sieht, c) mein Ziel, ein gemeinsames Foto mit Jay-Z und Beyoncé auf ihrer Hochzeit und d) geh mir nich aufn Sack.

Aber was sag ich? „Dass man sein Ding macht.“

Wow. Das hätte sogar Thomas Doll (Bundesliga-Trainer, ebenfalls permanent auf Sinnsuche) mit dem seinem besten traurigen Hundeblick aus seinem großen Traurigen-Hundeblick-Repertoire eleganter gelöst.

Ich muss unbedingt an meinem Killerinstinkt arbeiten, der Abschluss muss besser sitzen, spontane, blitzgescheite Antworten, die starkes Selbstbewusstsein demonstrieren. Ging letzten Samstag schon wieder schief. Ein befreundeter Barmann überfordert mich folgendermaßen: „Wenn man Kappen trägt, bekommt man früher Haarausfall!“ Äh, ja, hm, aber trag nur am Wochenende eine. Mein Kopf fühlte sich in diesem Moment an, als wäre aus meinen Geheimratsecken eine riesige Glatze mutiert.

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