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SubCulture Editorial / Oktober 2004

Mein Stammclub

Ich war mal recht lange Stammgast in einem Club in Stuttgart. Das ging vor über 9 Jahren los. 18 Jahre alt waren wir, sahen scheiße aus in unserem Mitneunziger Skaterstyle, aber die Türsteher/innen haben uns jeden Samstag herein gewunken. Wenn ich nur daran denke, wie wir rumgelaufen sind, dann hätte ich mich nicht mal „Zum Ochsen“ reingelassen. Und meine Friseur war eigentlich auch shit. Aber mit meinen Haaren hatte ich schon immer so meine Probleme. Vielleicht sind wir aber auch nur reingekommen, weil wir Jungs irgendwie alle so aussahen? Keine Ahnung.

Ich weiß auch z.B. gar nicht mehr, was damals so die Mädels anhatten. Gibt’s eigentlich ein charakteristisches Kleidungsstück für die 90er? Nee, oder? Da müsste man jetzt mal gucken, ob noch jemand ein Fotoalbum von der Zeit hat, weil digitale Kameras besaß gerade mal der amerikanische Geheimdienst, „online“ hatte für viele eine ganz andere Bedeutung und die Spezies Partyshooter ging zur derzeit zum größten Teil wohl noch in die Grundschule.

Aber im Prinzip waren uns die Frauen in unserem Stammclub auch egal. Okay klar, man hat schon mal den Kopf gedreht, wenn eine Schnitte vorbeilief, aber man hatte ja sowieso keine Chance. Weil wir waren wohl mit die Jüngsten in dem Club.

Das Tolle an dem Schuppen war eigentlich, dass dort diese noch recht neue House-Musik lief, damals hauptsächlich produziert von Afroamerikanern. Einmal war Derrick May da. Ich weiß, den kennt ihr jetzt alle nicht, aber der Typ war einfach ein Gott. Das war der einzige Abend, an dem ich in diesem Laden nicht getanzt habe. Ich bin mit offenem Mund wie angewurzelt hinter der DJ-Kanzel gestanden, weil Derrick in einer abartigen Geschwindigkeit die Platten gewechselt hat und zwischendurch akrobatisch die Scheiben auf seinem Finger zwirbeln ließ.

Und es war wirklich ein Wunder, dass ich an dem Abend nicht getanzt habe, weil ich hab eigentlich sonst immer in meinem Stammclub bis morgens nonstop durchgetanzt. Ich konnte nämlich verdammt gut tanzen, denn ich hab den Vibe gespürt. Nicht so wie z.B. diese Gogos heutzutage, die bei ihren Roboter-Moves auch noch so komisch ihre Gesichtsmuskeln verrenken und denken, sie sehen dabei extrem sexy aus. Selbstdarstellung war damals eh ein Fremdwort. Man hatte auch gar keinen Grund sich darzustellen, gab ja niemanden, der photographiert hat. Wir waren irgendwie nur wir selbst und tanzten auf die Musik, die wir am liebsten in einem Club hören mochten.

Heute stehe ich immer nur an der Bar rum und trink halt – neulich mal wieder ein bisschen zu viel in dem Club, der früher mein Stammclub war. Zwei Kumpels von mir haben auflegt, da bin ich dann vor denen hoch aufs DJ-Pult geklettert und hab so ein bissle gefeiert, meine Beine haben sich sogar bewegt. Musste mal sein, bin voll aus mir herausgegangen. Hat aber Gott sei Dank keiner groß gesehen. War mir auch echt peinlich am nächsten Tag.

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